HTC Desire im Sommer-Check
Alles an Bord für den Urlaub?

Android Handys sind mittlerweile die Schweizer Messer der Mobilkommunikation – vom Media-Player über Webbrowser bis zur GPS-Navigation haben sie alles an Bord, und wiegen dabei weniger als ein Taschenbuch. Das macht sie natürlich zum idealen Begleiter für den Sommerurlaub 2010. Aber funktionieren die vielen Dienste auch, wenn man sie braucht? Wir haben das laut unserer Umfrage beliebteste Android Handy HTC Desire einem Urlaubs-Check unterzogen.

Die Packliste für den Sommerurlaub wird heuer um einiges kürzer, denn sobald das HTC Desire in der Tasche steckt, haben wir bereits folgendes dabei:

  • Radio, MP3- und Videoplayer
  • Spielkonsole
  • Navi / GPS / Kompass / Straßenkarte
  • Foto- und Videokamera
  • Reiseführer / Wörterbuch
  • Zeitung / Taschenbuch
  • Kalender, Taschenrechner, Wecker
  • Internet-Tablet für eMail, Webbrowser und Social Networks
  • und sogar ein Telefon

Die 135 Gramm des Desire ersetzen also gefühlte 5kg Gepäck, und passen dabei immer griffbereit in die Hosentasche – was braucht man da noch, außer ein paar T-Shirts, Zahnbürste und Kreditkarte?

Theoretisch könnte man heutzutage einen Urlaub komplett über das Smartphone organisieren: Die Reise-Buchung von Bestandteilen wie Flugtickets und Hotels ist schnell per Webbrowser erledigt, die Navigation zum Zielort übernimmt das Google Navi, und sind wir erst mal angekommen, hilft Google Maps die Gegend zu erkunden und zu allen sehenswerten Orten auch die entsprechenden Infos zu bekommen. Wenn etwas besonders sehenswert ist, wird es direkt mit dem Handy fotografiert – und steht schon eine Sekunde später auf Facebook und twitter – es soll ja jeder wissen, dass er uns beneiden darf.

Doch immer der Reihe nach – kann ein Android Handy wirklich bereits alles, was man unterwegs benötigt?

Theorie und Praxis

Es sind vor allem zwei Dinge, die ein Android Handy braucht, um seine Talente ausspielen zu können: eine Internetverbindung, und Energie – viel Energie. Mobiles Internet ist im Ausland leider noch recht teuer. Zwar gibt es in touristischen Regionen immer wieder Cafes mit freiem Internet über WLAN, doch das reicht nur zum gelegentlichen eMail lesen, und nicht, wenn man während dem Stadtrundgang spontan Infos abrufen will oder mit dem Auto falsch abgebogen ist. Längere Fahrten mit Google Maps Navigation, das laufend Karten-Daten aus dem Internet lädt, sind zu Roaming-Tarifen undenkbar – da ist es wahrscheinlich sogar billiger, gleich ein Taxi zu nehmen.

Navigation funktioniert gut – wo es Internet gibt

Wer das Problem durch eine lokale Sim-Card lösen kann, oder doch einen Heimaturlaub macht, kann sich aber auf die Google Navigation verlassen, wie unsere bisherigen Tests gezeigt haben. Einziger Kritikpunkt: die Zeitschätzungen wären vielleicht bei einer Totalsperre des Verkehrs zu schaffen, aber nicht in der Realität europäischer Städte. Hier sollte Google nach Ende der „Beta-Phase“ etwas realistischere Werte ausgeben, was hoffentlich durch die angekündigten Echtzeit-Verkehrsinformationen ermöglicht wird. Bis dahin muss man, zumindest untertags, bis zu 50% mehr Zeit einplanen.

Ansonsten macht die Google Navigation eine gute Figur, die Turn-by-Turn Ansagen kommen mit Präzision und in so strengem Tonfall, dass man sich niemals trauen würde, eine Anweisung in Frage zu stellen. Der Lautsprecher des Desire ist allerdings recht schwach und schafft nur ein minimales Tonspektrum, er reicht aber aus, um keine Abfahrt zu verpassen. Das GPS funktioniert auch im Wageninneren gut, die am Display angezeigte Position stimmte bei unseren Tests immer genau.

Wenn sich im Urlaubsland kein Internetzugang sicherstellen lässt, oder das Land gar nicht von Google Maps Navigation angeboten wird, bleibt als Alternative immer noch eine klassische Navigationslösung mit lokal gespeicherten Karten, wie sie auch für Android Handys angeboten werden, zB von NAVIGON mit 40 eurpäischen Ländern um etwa 80 Euro.

Reiseführer an Bord?

Sind die Zeiten vorbei, in denen der kiloschwere Reiseführer in der Hand schon von weitem ankündigte, dass hier Touristen im Anmarsch sind? Theoretisch ja, denn auch auf diesem Gebiet gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Apps. Für jede größere Metropole bietet jemand einen Guide zum Download an, oft sogar kostenlos. Doch bei näherer Betrachtung sind die meisten davon magere Artikel- und Adressensammlungen, teilweise aus freien Quellen zusammenkopiert. Recherchierte Hintergrundinformationen und geprüfte Insidertipps findet man darin keinesfalls. Die etablierten Reiseverlage beginnen gerade erst, dieses Segment zu entdecken, und setzen derzeit vor allem auf die zahlungsfreudigen Apple-Jünger. Hier heißt es wohl noch etwas warten.

Als Alternative bietet sich aber der mobile Zugriff auf diverse Bewertungsportale an, zB wenn es um die Auswahl eines Restaurants oder Hotels geht. Einige davon sind auch bereits in Google Maps und Co integriert.

Wikitude blendet Informationen
in das Bild der Handykamera ein.

Ebenfalls interessant sind Augmented Reality Apps wie Wikitude, die gratis im Android Market verfügbar sind. Sie nutzen wirklich alle Fähigkeiten eines modernen Smartphones: Der User richtet die Handykamera auf ein Gebäude oder eine Region und erhält sofort Informationen in das Bild eingeblendet. Man sieht sofort, vor welchem Gebäude man gerade steht, oder was sich sonst noch in der Umgebung befindet. Wenn es zu einem „Point of Interest“ Zusatzinfos wie Wikipedia-Artikel gibt, stehen sie per Fingerdruck zur Verfügung. Ideal also für die Orientierung auf Reisen – Internetverbindung vorausgesetzt.

Schnappschüsse mit 5 Megapixeln

Für Schnappschüsse ausreichend,
aber keine echte Digicam.
(Klicken für unbearbeitete Datei)

Eine Kamera mit 3, 5 oder gar 8 Megapixeln gehört heute zu jedem Handy wie das Abo zum Klingelton, doch die kleinen Linsen der Mobiltelefone relativieren die Pixelflut: Bei voller Größe betrachtet, erkennt man unscharfe Konturen und Kompressionsartefakte – es hat eben physikalische Gründe, warum gute Kameras größer sind.

(Klicken für unbearbeitete Datei)

Auch das HTC Desire ist hier keine Ausnahme – obwohl man zugeben muss, dass die Fotos trotzdem überraschend gut sind. Hat man sie zuhause am PC etwas nachbearbeitet, und auf etwa 2/3 der Größe reduziert, sehen sie sogar herzeigbar aus. Für Facebook-Fotos mit gerade mal 604×453 Pixeln (1,3 MP) reicht die Qualität sowieso.

Praktisch ist das eingebaute Geotagging, durch das alle Fotos mit GPS-Koordination versehen werden können. So kann jedes Foto später dem genauen Aufnahmeort zugeordnet werden, zB um es auf einer Karte anzeigen zu lassen. Die Zoomfunktion sollte man lieber vergessen, es handelt sich um ein digitales „Zoom“, das nur das gemachte Foto vergrößert, was zu umso größerer Unschärfe führt.

Die hübsch animierte Album-Funktion des Desire macht auf jeden Fall Lust darauf, den Tag nocheinmal im wahrsten Sinn des Wortes vorbeiziehen zu lassen. Ob man vom Traumurlaub aber wirklich keine hochwertigeren Fotos mitbringen will, sollte man sich gut überlegen – also lieber doch wieder den guten alten Fotoapparat ins Gepäck.

Videos in MPEG4 Qualität

„HD-Videos“ sind der neueste Trend bei Smartphones, doch auch hier gilt: Es hat einen Grund, warum allein die Optik einer echten HD-Kamera mehr kostet, als so mancher Kleinwagen. Das Desire muss sich bei Video ohnehin mit „nur“ 480p begnügen (800×480 Pixel), und auch die sind eher theoretischer Natur, wie die Testaufnahmen zeigen:

MP4-Videos mit 800×480 Pixeln und
schönen Farben, aber wenig Schärfe
und schwachem Ton.
(Klicken für unbearbeitete Videodatei)

Das Bild hat zwar schöne Farben, besonders scharf ist es aber nicht, und der Mono-Ton liefert höchstens eine Ahnung, was sich klangmäßig abgespielt hat. Die Videos sind sicher für ein kleines, spontanes Bewegtbild-Souvenir ausreichend – für jene Momente, die längst vorbei sind, wenn der Camcorder endlich ausgepackt und bereit ist. Sie sind aber kein Grund, damit seinen HD-Fernseher zu quälen.

Die Schattenseiten der Sonne

Das Fotografieren und Filmen im Freien ist mit einem Smartphone nicht so einfach wie es klingt. Die Bedienung erfolgt über den Touchscreen, der aber gleichzeitig der Sucher ist. Gehalten wird das Handy natürlich senkrecht, wodurch aber die Buttons kaum erreichbar sind. Das führt immer wieder dazu, dass versehentlich Funktionen ausgelöst werden, weil man beim Halten des Handys den Touchscreen berührt.

Ein weiteres Problem ist starkes Sonnenlicht: Bei direkter Sonneneinstrahlung kann man am Bildschirm nichts mehr erkennen – weder das Motiv, noch die Bedienelemente. Wenn man beim Filmen einem Motiv folgen will, wird das bei starkem Sonnenschein schnell zum Blindflug.

Portabler Mediaplayer für MP3 und Video

Die 4GB Speicher des Desire bieten genug Platz, um die Musiksammlung auch im Urlaub dabei zu haben. Die Tonqualität ist gut, zumindest sobald man den Kopfhörer angesteckt hat, denn der eingebaute Lautsprecher schwächelt wie erwähnt etwas. HiFi-Fans werden vermutlich einen hochwertigeren Kopfhörer verwenden wollen, was aber durch die Standard-3,5mm-Klinkenbuchse des HTC Handys kein Problem darstellt.

Als portabler Videoplayer macht das Desire ebenfalls eine sehr gute Figur, es unterstützt die gängigen Codecs inklusive MPEG4/h.264 und bietet dank AMOLED-Technologie kräftige Farben in hoher Auflösung von 800×480 Pixeln. Die 1GHz Snapdragon CPU bietet auch die nötige Rechenpower für HD-Videos. Seit dem letzten Firmware-Update von Anfang Juni kann das HTC Desire auch YouTube-Videos mit 480p Full-Screen abspielen.

Bei der Abendgestaltung im Hotel sollte man keinesfalls vergessen, den anwesenden iPhone-Besitzern die neusten Flash-Videos und Flash-Websites am Handy vorzuführen. Der wiederholte Hinweis darauf, wie stabil und schnell Flash am Handy läuft, sorgt sicher noch zusätzlich für Stimmung.

eBooks für lange Abende

Wer immer noch an der alten Kunst des Lesens hängt, kann aus seinem Android Handy auch einen eBook-Reader machen, Apps wie FBReader und seit neuestem sogar Amazon Kindle unterstützen die gängigen eBook Formate, die Auswahl an verfügbaren Büchern ist mittlerweile riesig. Beim Lesen längerer Texte kommt es natürlich besonders auf die Qualität des Displays und die Auflösung an, hier punktet das Desire mit seinen 480×800 Pixeln und dem hohen Kontrast. Für wirklich lange Lese-Sessions ist das Display aber doch etwas klein.

Spielen in 3D

Für die Wartezeit am Flughafen oder den verregneten Tag im Hotel ist man mit einem Android Handy ebenfalls bestens gerüstet: eine Vielzahl von Spielen wartet im Market – durch die Steuerung mit dem eingebauten Lage-Sensor des Desire macht das besonders Spaß, so kann man bei Spielen wie „Raging Thunder“ ein Auto steuern, indem man das Handy wie ein Lenkrad bewegt. Auch bietet das HTC Desire durch die schnelle Snapdragon CPU mit speziellen 3D-Funktionen eine sehr gute Grafikleistung.

Energiehungrig im Einsatz

Obwohl das HTC Desire bis zu 2 Wochen Standby-Betrieb ohne Ladung schafft, geht es bei intensiver Nutzung der 1 GHz CPU mit der Batterie schnell bergab. Anwendungen wie UMTS-Datenempfang, laufende Berechnung von Navigationsdiensten und hochauflösende Darstellung am Display sorgen für großen Energiehunger, der sich auch durch eine merkbare Hitzeentwicklung zeigt. Ein Ladegerät im Auto ist Mindestvoraussetzung, wenn man nicht kurz vor dem Ziel im Straßengewirr das Batteriesymbol erblicken will, und dann nebenbei auch noch ohne Telefon dasteht.

Das Zubehör des HTC Desire ist
sehr kompakt und leicht.

Wer das Handy eher sparsam nutzt, kann aber tatsächlich tagelang ohne Ladegerät auskommen.

Ein Vorteil auf Reisen ist das sehr kleine und leichte Netzteil des Desire, dessen Kabel gleichzeitig ein USB-Datenkabel ist. Damit kann auch jeder PC per USB als Ladegerät dienen.

Fazit:

Ein Android Handy wie das HTC Desire ist ein nützlicher Begleiter im Urlaub, sei es um spontan Informationen nachzuschlagen, um laufend per eMail und Social Networks mit dem Rest der Welt in Kontakt zu bleiben oder um einfach nur mit Musik, Videos und Spielen zu entspannen. Die vielen Features, die es an Bord hat, können zwar nicht alle anderen elektronischen Gadgets ersetzen, bieten aber mitterweile eine Menge an praktischen Anwendungen für unterwegs.

Ein Knackpunkt bleibt allerdings die Frage der Internet-Anbindung, zumindest solange Datenroaming noch teuer ist. Cafes und Restaurants mit kostenlosem WLAN-Internet werden daher auch in Zukunft Smartphone-Urlauber geradezu magnetisch anziehen, was erfreulicherweise auch zu einem immer größeren Angebot führt.

Wer einmal mit einem Android Handy auf Urlaub war, wird es jedenfalls nicht mehr missen wollen.